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Honduras: Menschenrechtsverletzungen nach Staatsstreich sollen verfolgt werden

Angriffe und Drohungen weiter Anlass zu großer Besorgnis

(Washington, D.C., 21. Dezember 2010) – Die honduranischen Behörden sollen konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen zu beenden, zu denen es nach dem Staatsstreich im Jahr 2009 gekommen war. Zudem sollen dadurch die fortwährenden Angriffe auf Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten eingedämmt werden, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der 65-seitige Bericht „After the Coup: Ongoing Violence, Intimidation, and Impunity in Honduras“ dokumentiert das Versäumnis des Staates, die unter der de-facto-Regierung im Jahr 2009 begangenen Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich zu verfolgen. Der Bericht dokumentiert zugleich 47 Fälle seit der Amtseinführung von Präsident Porfirio Lobo im Januar 2010, bei denen Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten bedroht, angegriffen und in 18 Fällen ermordet wurden.

„Wir haben diese unabhängige Analyse durchgeführt, weil die Auswirkungen auf die Menschenrechte eineinhalb Jahre nach dem Staatsstreich in Honduras noch immer spürbar sind“, so José Miguel Vivanco, Leiter der Lateinamerika-Abteilung von Human Rights Watch. „Aus unseren Ergebnissen wird deutlich, dass es äußerst schwierig wird, das Vertrauen in das demokratische System des Landes wiederherzustellen, solange die honduranischen Behörden keine konkreten Maßnahmen ergreifen, um die Straflosigkeit zu reduzieren und die Angriffe zu unterbinden.“

Die fehlende strafrechtliche Verfolgung der Täter sowie permanente Drohungen und Gewalt haben sich negativ auf die freie Meinungsäußerung und die politische Partizipation in Honduras ausgewirkt und betreffen vor allem die Gegner des Putsches von 2009.

Menschenrechtsverletzungen nach dem Staatsstreich

Sicherheitskräfte haben die Meinungs- und Versammlungsfreiheit nach dem Putsch in unrechtmäßiger Weise eingeschränkt und schwere Menschenrechtsverletzungen verübt, einschließlich des Einsatzes von exzessiver Gewalt gegen Demonstranten und willkürlicher Festnahmen.

Für diese Verstöße ist bis heute niemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Die Menschenrechtsabteilung der Staatsanwaltschaft hat in 20 Fällen mutmaßlicher Verstöße, zu denen es unter der de-facto-Regierung gekommen war, Anklage erhoben. In acht Fällen wurden die Angeklagten freigesprochen, die übrigen sind noch anhängig, einschließlich der Fälle, bei denen keine Fortschritte erzielt werden, weil die Angeklagten noch flüchtig sind.

Die mangelnden Fortschritte sind hauptsächlich auf die fehlende Unterstützung für die Menschenrechtsabteilung der Staatsanwaltschaft durch andere staatliche Institutionen sowie auf die fehlende Zusammenarbeit zurückzuführen, vor allem zu Beginn der Ermittlungen im Jahr 2009.

Die Ermittlungen zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen, zu denen es nach dem Staatsstreich gekommen war, sind von den Sicherheitskräften behindert worden. Sie händigten Schusswaffen nicht aus, die ballistischen Tests unterzogen werden sollten, ließen Fragen zur Identifizierung beschuldigter Offiziere unbeantwortet und verweigerten den Zugang zu militärischen Einrichtungen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Lobo sind die Sicherheitskräfte ein wenig kooperativer, aber die nicht vorhandene Zusammenarbeit zu Beginn der Ermittlungen hat diese nachhaltig erschwert.

Ein weiteres Hindernis stellen die begrenzten Ressourcen der Menschenrechtsabteilung der Staatsanwaltschaft und deren Abhängigkeit von der Kriminalpolizei dar, der es an der nötigen Unparteilichkeit zur Durchführung objektiver Ermittlungen bei Verstößen von Sicherheitskräften fehlt. Das Versäumnis der Regierung, Mittel für das Zeugenschutzprogramm bereitzustellen, trug dazu bei, dass bei diesen Fällen keine Fortschritte erzielt worden sind.

Zudem hat der Oberste Gerichtshof ein Klima geschaffen, in dem Entscheidungen gegen die de-facto-Behörden durch Richter der ersten Instanzen unerwünscht waren. Der Gerichtshof hat das Vorgehen des Militärs am Tag des Putsches gebilligt und anschließend Verfassungsbeschwerden gegen die Politik der de-facto-Regierung nicht angenommen. Außerdem hat er seine Befugnisse willkürlich und anscheinend aus politischer Motivation heraus genutzt, als er im Mai vier Richter entließ, die die Rechtmäßigkeit des Putsches öffentlich infrage gestellt hatten.

Angriffe auf Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten

Seit der Amtseinführung von Präsident Lobo sind mindestens 18 Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten ermordet worden. Einige Morde deuten darauf hin, dass die Verbrechen politisch motiviert waren. Am 15. Februar wurde Julio Benitez, ein Gegner des Staatsstreichs, von Bewaffneten angeschossen und ermordet. Er hatte zahlreiche Drohanrufe erhalten, in denen man ihn vor einer weiteren Betätigung in oppositionellen Gruppen gewarnt hatte.

Human Rights Watch liegen zudem glaubwürdige Berichte zu 29 weiteren Fällen vor, bei denen Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten bedroht oder angegriffen wurden:

  • Der Jesuit und Menschenrechtsanwalt Pater Ismael Moreno erhielt am 8. April eine SMS, in der die Ermordung der Familie einer Gegnerin des Staatsstreichs, die von Polizeibeamten vergewaltigt worden war, angedroht wurde. Pater Moreno hatte der Frau und ihrer Familie dabei geholfen, Honduras zu verlassen.
  • Der politische Aktivist Eliodoro Caceres Benitez erhielt Anfang Juni drei Morddrohungen per Telefon, in denen es hieß, Mitglieder des organisierten Verbrechens würden ihn und seine Familie töten. Sein Sohn wird seit dem 13. Juni vermisst.
  • Am 15. September attackierten Angehörige der Polizei und des Militärs die Büros des Senders Radio Uno, der den Staatsstreich kritisiert hatte. Sie warfen Tränengas in die Büros des Radiosenders, zertrümmerten Fensterscheiben, zerstörten die Einrichtung und verletzten eine Person dabei schwer.

Aus den verfügbaren Informationen geht hervor, dass die honduranischen Behörden, wenn überhaupt, kaum Fortschritte bei der Ermittlung dieser Fälle gemacht haben. Ohne gründliche Ermittlungen lässt sich kaum feststellen, wie viele Angriffe politisch motiviert gewesen sind oder ob offizielle Stellen darin verwickelt waren.

Die anhaltende politische Polarisierung in Honduras und die Indizien, die für die meisten der in diesem Bericht genannten Fälle aus dem Jahr 2010 vorliegen, darunter zum Teil auch eindeutige Aussagen der Täter, deuten jedoch darauf hin, dass viele Opfer aufgrund ihrer politischen Ansichten ins Visier genommen wurden und dadurch ein Klima der Angst erzeugt wurde, das die Grundrechte in Honduras untergraben hat.

Eine politische Aktivistin berichtete Human Rights Watch, dass sie sich genötigt sah, ihre politische Arbeit aufzugeben, nachdem sie und ihre Töchter von bewaffneten Männern darauf angesprochen worden waren. Ein anderer Aktivist, dem bei einem Anschlag auf sein Leben ins Bein geschossen worden war, sagte, er habe danach seine politischen Aktivitäten eingestellt. Ein Radio-Journalist berichtete, ein Kollege habe seinen Job beim Sender aufgegeben, nachdem er wiederholt Morddrohungen aufgrund seiner politischen Ansichten erhalten hatte.

Empfehlungen

Die honduranischen Behörden sollen die Menschenrechtsabteilung der Staatsanwaltschaft unterstützen:

  • Es sollen zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die für die Staatsanwaltschaft vom Kongress genehmigte Budget-Aufstockung für 2011 zu verlängern.
  • Die umfassende Zusammenarbeit von Polizei und Militär soll für die laufenden Ermittlungen garantiert werden.
  • Gelder sollen für das Zeugenschutzprogramm bereitgestellt werden, das seit seiner Einrichtung keine gezielte Förderung erhalten hat.

Die Unabhängigkeit der Justiz soll gestärkt werden:

  • Ein unabhängiges Gremium soll eingerichtet werden, das viele Disziplinarfunktionen des Obersten Gerichts übernehmen könnte.
  • Verfahren zur Ernennung, Sanktionierung und Entlassung von Richtern und Justizbeamten sollen eingeführt werden, die Transparenz und Schutz vor politischer Einflussnahme auf Gerichtsverfahren gewährleisten.

Einen internationalen Untersuchungsausschuss soll eingerichtet werden, um:

  • gründliche Ermittlungen zur Aufklärung der nach dem Staatsstreich verübten Menschenrechtsverletzungen und der anhaltenden Angriffe und Drohungen gegen Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten durchzuführen.
  • die Bemühungen der Sonderstaatsanwaltschaft für Menschenrechte bei der strafrechtlichen Verfolgung dieser Fälle zu unterstützen.

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