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China: FIFA bricht eigene Regeln für Klub-Weltmeisterschaft

FIFA stellt Menschenrechte ins Abseits, Vereinbarungen mit Peking zur Ausrichtung werden geheim gehalten

Gianni Infantino, FIFA-Präsident, bei einem Treffen des FIFA-Exekutivkomitees, auf dem offiziell bekannt gegeben wurde, dass die FIFA-Klub-Weltmeisterschaft 2021 in Shanghai, China, stattfinden wird, 24. Oktober 2019 © 2019 Imaginechina via AP Images

(New York) – Durch die überraschende Entscheidung für China als Gastgeberland für die neue Klub-Weltmeisterschaft hat die FIFA ihre eigenen Menschenrechtsverpflichtungen im Rahmen des Vergabeverfahrens missachtet, sagte Human Rights Watch heute und veröffentlichte die entsprechende Korrespondenz mit dem Weltfußballverband.

Im März 2019 schaffte die FIFA den Confederations Cup ab und nutzte die entstandene Lücke im Kalender, um eine neue Klub-Weltmeisterschaft anzusetzen. Acht Monate später, am 24. Oktober, verkündete FIFA-Präsident Gianni Infantino in Shanghai, dass die FIFA China als Gastgeber der ersten Klub-Weltmeisterschaft 2021 ausgewählt habe. Entgegen der FIFA- Statuten und Richtlinien gab es kein öffentliches Vergabeverfahren, keine Konsultationen mit verschiedenen Interessengruppen und keine Bewertung der Risiken für die Menschenrechte. 

„Die FIFA hat ihre eigenen Menschenrechtsverpflichtungen missachtet, indem sie China als Gastgeberland für die Klub-Weltmeisterschaft ausgewählt hat“, sagte Minky Worden, Direktorin für Globale Initiativen bei Human Rights Watch. „Damit sendet die FIFA die Botschaft, dass die Regeln, die für andere Regierungen gelten, nicht für Peking gelten.“

In der Korrespondenz mit Human Rights Watch bezieht sich die FIFA auf „international anerkannte Menschenrechtsstandards“, die für China gelten. Allerdings hat die FIFA weder die Gastgebervereinbarungen noch andere Abkommen mit Peking veröffentlicht.

Wie Menschenrechtsgruppen und Medien dokumentiert haben, begeht die chinesische Regierung schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter Verletzungen von Arbeiterrechten, massenhafte willkürliche Inhaftierungen, Massenüberwachung, Folter, gravierende Einschränkungen für die Arbeit von Journalisten und Misshandlung von mehr als einer Million Uiguren und anderen muslimischen ethnischen Minderheiten in Lagern für „politische Umerziehung“ in Xinjiang. Solche Menschenrechtsverletzungen betreffen auch unmittelbar die an der FIFA Klub-Weltmeisterschaft beteiligten Gruppen, darunter Athleten und Fans aus der ganzen Welt, Arbeiter, die Sportstätten errichten, und Journalisten. In China gibt es keine Medien- oder Internetfreiheit, zwei essenzielle Anforderungen an potentielle Gastgeber von FIFA-Veranstaltungen.

In einem Brief an die FIFA vom 29. Oktober forderte Human Rights Watch den Weltfußballverband auf, zu erläutern, warum China als Gastgeberland für so ein bedeutendes Turnier ausgewählt wurde, ohne vorher die relevanten Interessengruppen zu konsultieren oder die offensichtlichen Menschenrechtsrisiken zu bewerten, beides Schritte, die in den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte festgelegt sind. Die FIFA hat diese Prinzipien befürwortet und in ihrer Politik verankert.  

Die 2017 verabschiedete FIFA-Menschenrechtspolitik beschreibt die Verantwortung des Weltfußballverbands, nachteilige Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte zu ermitteln und anzugehen. Dazu gehört auch, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern oder dagegen vorzugehen. Artikel 7 der FIFA-Menschenrechtspolitik besagt, dass die FIFA konstruktiv mit den zuständigen Behörden und anderen Interessengruppen zusammenarbeite und alles unternimmt, um ihre internationalen Menschenrechtspflichten einzuhalten. Dies sollte die Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Beratungsausschuss für Menschenrechte  der FIFA und die Konsultation eines breiten Spektrums von Interessengruppen, einschließlich potenziell betroffener Gruppen und Einzelpersonen und ihrer rechtmäßigen Vertreter, umfassen, bevor wichtige Entscheidungen über die Vergabe von Veranstaltungen getroffen werden. Im Vorwort zum „reformierten Bewerbungs- und Vergabeverfahren der FIFA“ schreibt Infantino: „Es liegt in der Verantwortung der FIFA gegenüber der Welt des Fußballs, diese Ausschreibungs- und Auswahlverfahren ethisch, transparent, objektiv und unvoreingenommen durchzuführen“.

Als ihm im Oktober in Shanghai Fragen gestellt wurden zum Vergabeverfahren für die Klub-Weltmeisterschaft und zur unabhängigen Überprüfung der Menschenrechtslage, antwortete Infantino: „Die Mission der FIFA ist es, den Fußball zu organisieren und den Fußball auf der ganzen Welt weiterzuentwickeln“. Er umging somit eine direkte Frage, warum die FIFA ihre eigene Politik ignorierte.

In ihrem Antwortschreiben vom 7. November bestreitet die FIFA nicht, dass sie relevante Interessengruppen im Voraus hätte konsultieren sollen, um ihren „weitreichenden Menschenrechtsanforderungen bei der Vergabe und Ausrichtung von FIFA-Turnieren gerecht zu werden“. Sie behauptet aber, die Klub-Weltmeisterschaft in China sei eine „Pilotausgabe“ des Turniers mit einem „verkürzten Zeitrahmen“.

„Die Zeitfrage darf keinen Vorrang gegenüber der Verantwortung der FIFA haben, die Menschenrechtsanforderungen an China und andere Gastgeberländer zu berücksichtigen“, sagte Worden. „Durch den kürzeren Zeitrahmen spielt die Bewertung von Menschenrechtsrisiken sogar eine noch wichtigere Rolle.“

Menschenrechtsfragen wurden bereits früher innerhalb knapper Fristen behandelt, so Human Rights Watch. Im Mai konsultierte die FIFA Menschenrechtsgruppen zu einer möglichen Ausweitung der Weltmeisterschaft 2022 auf Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Golfstaaten. Im Jahr 2018 verlangte die FIFA von Kanada, Mexiko, Marokko und den Vereinigten Staaten, unabhängige Risikobewertungen zu Menschenrechtsfragen durchzuführen, Rücksprache mit Interessengruppen zu halten und eine Menschenrechtsstrategie vorzulegen, um sich als Gastgeberländer zu bewerben.

Auch Fußballspieler aus China sind betroffen vom Vorgehen der chinesischen Regierung gegen grundlegende Rechte und Freiheiten. Im Jahr 2018 nahmen die Behörden in Xinjiang einen jungen uigurischen Profi-Fußballer, Erfan Hezim, auch bekannt als Yes Erfan, ein Mitglied der chinesischen Jugendnationalmannschaft, fest. Erfan gilt als „einer der vielversprechendsten Nachwuchsspieler Chinas“. Er wurde in ein Lager für „politische Umerziehung“ in Xinjiang gebracht. Ihm wurde vorgeworfen, ins Ausland gereist zu sein, um dort zu trainieren und an Fußballspielen teilzunehmen. 2019 wurde er freigelassen. Die FIFA hat sich nie zu diesem Fall geäußert. Anfang 2019 wurde auch der aufstrebende Profifußballer Erpat Ablekrem in einem Lager in Xinjiang festgehalten, nachdem er den Kontakt zu aus dem Land geflohenen Familienmitgliedern aufrecht erhalten hatte. Erpat befindet sich nach wie vor in dem Lager.  

Die Vergabe von FIFA-Turnieren erfolgt durch eine schriftliche Vereinbarung zwischen der FIFA und dem jeweiligen Gastgeberland. Die Einzelheiten zu dem Abkommen mit China über die Ausrichtung der FIFA Klub-Weltmeisterschaft wurden jedoch nicht veröffentlicht. Transparenz ist ein wesentlicher Bestandteil der UN-Leitprinzipien. Das Internationale Olympische Komitee veröffentlicht seit 2014 die Vereinbarungen mit den jeweiligen Gastgeberstädten.

„Wenn in diesem Prozess noch ein Fünkchen Integrität erhalten bleiben soll, dann muss die FIFA unverzüglich ihre Gastgebervereinbarungen und jedes weitere Abkommen mit China veröffentlichen, die Menschenrechte in den Fokus stellen und dann dafür Sorge tragen, dass der Schutz dieser Rechte vollständig umgesetzt wird“, sagte Worden.

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