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Griechenland: Flüchtlingskinder freilassen

Kampagne fordert Ende der Inhaftierung von Kindern und angemessene Unterbringung angesichts von COVID-19

Ein Kind hält sich an einem Zaun fest, während griechische Polizisten ein Flüchtlingscamp bewachen. © 2016 Reuters/Marko Djurica
 (Athens) – Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis soll Hunderte unbegleitete Flüchtlingskinder freilassen, die unter unhygienischen Bedingungen in griechischen Haftzentren und Polizeiwachen festgehalten werden, so Human Rights Watch heute angesichts des Starts einer Kampagne zur Befreiung der Kinder. Dadurch könnten die Kinder besser vor einer COVID-19-Infektion geschützt werden.

Die am 14. April 2020 beginnende Kampagne #FreeTheKids ruft dazu auf, Druck auf Premierminister Mitsotakis aufzubauen, um eine sofortige Freilassung der inhaftierten unbegleiteten Flüchtlingskinder und ihre Verlegung in sichere und kindgerechte Einrichtungen zu erreichen. Human Rights Watch initiiert diese Kampagne nach jahrelanger Recherche- und Lobbyarbeit zur Praxis der griechischen Behörden, Kinder einzusperren, die sich ohne Eltern oder Verwandte in Griechenland aufhalten. Human Rights Watch hat immer wieder an griechische Regierungen appelliert, diese schweren Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden.

„Es war schon immer falsch, diese Kinder in schmutzigen Gewahrsamszellen festzuhalten, doch jetzt können sie auch noch an COVID-19 erkranken“, so Eva Cossé, Griechenland-Expertin bei Human Rights Watch. „Die griechische Regierung trägt die Pflicht, diese menschenrechtswidrige Praxis zu beenden und dafür zu sorgen, dass schutzbedürftige Kinder die Zuwendung und Sicherheit erhalten, die sie benötigen.“

Laut dem Nationalen Zentrum für Soziale Solidarität, einer Regierungsbehörde, befanden sich am 31. März 331 Kinder im Gewahrsam der Polizei und warteten auf ihre Verlegung in eine Unterkunft – ein erheblicher Anstieg gegenüber Januar, als die Zahl noch bei 180 lag.

Infektionskrankheiten wie COVID-19 sind eine ernste Gefahr für die Bewohner geschlossener Einrichtungen wie Gefängnissen und Einwanderungshaftzentren. Diese bieten erfahrungsgemäß selbst unter Normalbedingungen keine angemessene Gesundheitsversorgung. In vielen Haftzentren sind selbst einfache Maßnahmen zur Verhütung eines COVID-19-Ausbruchs aufgrund von Überbelegung, Gemeinschaftstoiletten und schlechter Hygiene kaum umsetzbar.

Die griechischen Behörden beschreiben die Inhaftierung unbegleiteter Kinder als eine vorübergehende Schutzmaßnahme, die im besten Interesse der Kinder liege. In der Praxis wirkt die Inhaftierung jedoch alles andere als schützend. Nach griechischem Recht müssen unbegleitete Kinder in eine sichere Unterkunft gebracht werden. In Griechenland herrscht jedoch ein chronischer Mangel an Plätzen in geeigneten Einrichtungen, etwa Heimen für unbegleitete Kinder.

Wie die Recherchen von Human Rights Watch gezeigt haben, werden Kinder infolgedessen willkürlicher und lang andauernder Haft, menschenunwürdiger Behandlung sowie unhygienischen und herabwürdigenden Haftbedingungen unterworfen. Es kommt auch zur Inhaftierung mit Erwachsenen und zu Misshandlungen durch die Polizei. Die Haft verursacht bei den Kindern schwere langfristige Folgeschäden wie Entwicklungsstörungen, Angstzustände, Depressionen, posttraumatisches Stresssyndrom und Gedächtnisverlust. Die betroffenen Kinder haben meist keine Möglichkeit, medizinische Behandlung, psychologische Beratung oder juristische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Nur die wenigsten von ihnen wissen, warum und für wie lange sie inhaftiert sind.

Im Jahr 2019 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Griechenland in zwei Fällen wegen der menschenrechtswidrigen Inhaftierung unbegleiteter Kinder. Die Richter urteilten, die Inhaftierung der Kinder verletze ihr Recht auf Freiheit und die Bedingungen ihrer Haft stellten eine herabwürdigende Behandlung dar.

Am 24. November 2019 präsentierte der griechische Premierminister den Plan „Kein Kind alleine“, mit dem unbegleitete Kinder besser geschützt werden sollen, etwa durch die Schaffung zusätzlicher Heime. Die Initiative setzt dem System der „Schutzhaft“ jedoch kein Ende und setzt Kinder weiterhin der Gefahr einer folgenschweren Inhaftierung aus.

Griechenland muss seinen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte auch während der COVID-19-Pandemie nachkommen und zusätzliche Plätze in offenen, kindgerechten Einrichtungen schaffen, um die derzeit inhaftierten Kinder unterzubringen. Dazu gehören auch Hotels, Pflegefamilien sowie Privatwohnungen im Rahmen des Programms Unterstütztes Unabhängiges Wohnen für Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren.

Die griechische Regierung sollte die Kapazitäten in Heimen zur längerfristigen Unterbringung ausbauen und ein funktionierendes und umfassendes System zur Pflegeunterbringungen schaffen, welches auch griechischen Kindern zugute kommen würde. Das griechische Recht und seine Rechtspraxis sollten angepasst werden, um sie mit internationalen Normen und Standards in Einklang zu bringen. Dazu muss klargestellt werden, dass die Inhaftierung von Kindern aus Gründen, die mit ihrem Aufenthaltsstatus zusammenhängen, eine Verletzung ihrer Rechte darstellt und niemals im Interesse des Kindes liegt. Dies gilt insbesondere für unbegleitete Kinder.

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