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USA: Schwere Vorwürfe gegen Militärkommissionen

Guantánamo-Anhörungen entsprechen nicht internationalen Standards

Human Rights Watch erklärte heute in einem Brief an den US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, dass die Prozesse vor den Militärkommission in Guantánamo weit hinter den internationalen Standards für ein faires Verfahren zurückbleiben und eingestellt werden müssen.

„Die Guantánamo-Anhörungen haben deutlich gezeigt, dass es den Militärkommission an Kompetenz, Objektivität und fairen Verfahrensregeln mangelt,“ kritisierte Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch. „Es ist an der Zeit, sie endlich einzustellen.“

Human Rights Watch stellte fest, dass die Verfahrensnormen und Vorgehensweise der Kommissionen keinesfalls den internationalen Verfahrensregeln entsprechen. Für die Guantánamo-Anhörungen werden weder anerkannte Strafprozessregeln eingehalten, noch taten sich die Mitglieder der Kommissionen bis jetzt als wirklich sachkundig oder unparteiisch hervor. Den Militärverteidigern mangelte es an Mittel zur Strafverteidigung, und es war ihnen verfahrenstechnisch kaum möglich vorgebrachte Beweise in Frage zu stellen.

Human Rights Watch unterstützt die strafrechtliche Verfolgung von Personen, die mutmaßlich in Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder in internationale terroristische Handlungen verwickelt sind. Doch müssen die Prozesse den internationalen Standards für ein faires Verfahren genügen, sonst ist keine Gerechtigkeit möglich. Durch die Entscheidung der Bush-Regierung, die Fälle vor Militärkommissionen, die zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs einberufen wurden, anstatt vor vorhandene Militär- oder Bundesgerichte zu bringen, hat sich das internationale Interesse natürlich zwangsläufig nur auf die Unbilligkeit der Guantánamo-Prozesse gerichtet, und weniger darauf, ob und wie sich die Angeklagten strafbar gemacht haben.

Sam Zarifi, der Prozessbeobachter von Human Rights Watch, erlebte – wie viele andere Anwesende auch – völlig konfuse Anhörungen. Vorsitzender und Gremium waren überfordert damit, ein Rechtssystem quasi aus dem Boden zu stampfen, ohne sich dabei an bestehenden Gesetzen, Bestimmungen oder Präzedenzfällen des US-Militär- oder Bundesrechts orientieren zu können.

Ein anderer Schwachpunkt besteht darin, dass alle Kommissionsmitglieder sowohl als Richter als auch als Geschworene fungieren - über eine juristische Ausbildung verfügt aber lediglich der Kommissionsvorsitzende. Wann immer grundlegende juristische Probleme zur Diskussion standen, wie etwa Fragen nach der Gerichtsbarkeit, ex-post-facto Gesetze oder der Anwendbarkeit der Genfer Konventionen im Falle eines bewaffneten Konflikts, war den Nicht-Juristen ihre Verwirrung deutlich anzusehen. Dieses mangelnde Fachwissen ist problematisch in einem Verfahren, in dem es um, wie auch der Vorsitzende bestätigte, sehr komplizierte Fragen amerikanischer und internationaler Rechtssprechung geht.

Auch die Unparteilichkeit der Kommissionsmitglieder muss schwer angezweifelt werden. Alle vier Angeklagten, deren Fälle im Moment verhandelt werden, werden im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Konflikt festgehalten. Einige Mitglieder der Kommission waren jedoch an diesem bewaffneten Konflikt mit nachrichtendienstlichen oder militärischen Aufgaben aktiv beteiligt. Von Unparteilichkeit kann dann schwerlich die Rede sein. Erstaunlich mag auch scheinen, dass der Vorsitzende der Kommission eine langjährige Freundschaft mit einem Mitglied des Ernennungsgremiums hegte. Einem Mitglied des Verteidigungsministerium umfassende juristische Gewalt zu geben, erhöht natürlich die Besorgnis über die Voreingenommenheit bei den Entscheidungen der Kommission.

Die Kommunikation im Gerichtssaal wurde zum Teil durch erhebliche Schwierigkeiten bei der Übersetzung der von der US-Regierung eingesetzten Dolmetscher beeinträchtigt. Die Sprachvermittler erwiesen sich als unfähig, korrekt und verständlich aus dem Arabischen oder Englischen zu übersetzen. Diese Fehlübersetzungen verfälschten die Aussagen der Angeklagten oft auf drastische Weise, und machte es diesen ferner extrem schwer, dem Verfahren überhaupt zu folgen. Selbst wenn man in kommenden Verhandlungen das Problem zu beseitigen versucht, lässt die Tatsache, dass die US-Regierung in einem wichtigen Gerichtsverfahren mit derart mangelhaften Dolmetschern zusammenarbeitet, die Frage aufkommen, auf welche Weise die außergerichtlichen Aussagen der Guantánamo-Häftlinge und der Zeugen zustande gekommen sind, und ob man diese Aussagen überhaupt als glaubhaft akzeptieren kann.

Die bestellten Militärverteidiger taten ihr Bestes, um ihre Mandanten gewissenhaft zu verteidigen, aber ihre Möglichkeiten waren beschränkt, da vom Verteidigungsministerium nicht ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um sich entsprechend vorzubereiten. Die Verteidigung verfügte über viel zu wenig Anwälte und Assistenten. Außerdem fehlte es an genügenden Mitteln, wie Computern und Telefonen. Kurz vor Beginn der August-Sitzungen war das Verteidigungsteam gar gezwungen, seiner Arbeit auf dem Fußboden nachzugehen, weil der Konferenztisch plötzlich aus dem Büro verschwunden war.

In dem Brief an Rumsfeld erwähnte Human Rights Watch, dass während der ersten Anhörungen nur einige der Probleme der Militärkommission deutlich geworden seien. Mit jedem neuen Fall würden sich im Laufe der Zeit immer mehr Probleme auftun.

„Die Bush-Regierung muss die fehlerbehafteten Kommissionen einstellen,“ verlangte Roth. „Nur die Beachtung international anerkannter Standards schafft Gerechtigkeit. Dies kann nur vor den US-Militär- oder Bundesgerichten gewährleistet werden“.

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