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EU: Menschenrechte sollen im Zentrum der Zentralasien-Strategie stehen

Ignorieren von Menschenrechtsverletzungen wird keine Reform bewirken

Angesichts repressiver Regierungen in Usbekistan, Turkmenistan und den Nachbarländern soll die Europäische Union die Achtung der Menschenrechte zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer neuen Zentralasien-Strategie machen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichen Hintergrundpapier. Am 23. und 24. April werden die EU-Außenminister während der Tagung des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (GAERC) in Brüssel voraussichtlich ein erstmals vorgelegtes Strategiepapier für Zentralasien besprechen.

Die Strategie wurde von der deutschen EU-Präsidentschaft initiiert und ersetzt eine jahrelange unkoordinierte Herangehensweise der Europäischen Union gegenüber den fünf Ländern Zentralasiens, die einst Teil der Sowjetunion waren. Human Rights Watch forderte die EU dazu auf, Bewertungskriterien für Fortschritte in Menschenrechtsfragen in die Strategie einzubauen.

„Die EU soll ihre engere Beziehung zu den zentralasiatischen Ländern an einen echten Fortschritt in der Verbesserung der Menschenrechtssituation koppeln”, so Holly Cartner, Leiterin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Die EU hat die Möglichkeit, die Achtung der Menschenrechte in Zentralasien einzufordern, und sie soll Druck auf diesem Gebiet ausüben, anstatt nur Lippenbekenntnisse abzulegen.“

Wie in Entwürfen zu dem Strategiepapier festgehalten, hat sich die Herangehensweise der Europäischen Union bezüglich Menschenrechtsfragen in der Region bisher auf strukturierte Dialoge, Bildung und Ausbildungsmaßnahmen konzentriert. Dies sind wichtige Instrumente, sie reichen aber allein nicht aus, um einen bedeutungsvollen Wandel hervorzurufen, so Human Rights Watch. Die EU hat viel zu oft „positive Signale“ seitens der zentralasiatischen Regierungen begrüßt, ohne auf konkrete Verbesserungen und Ergebnisse zu bestehen, auch wenn sich die Situation in vielen der Länder verschlechtert hat. Menschenrechtsverteidiger aus der usbekischen und turkmenischen Zivilgesellschaft sind besonders stark von repressiver Regierungspolitik getroffen worden. Dennoch fordern einige EU-Beamte nun die Lockerung der eingeschränkten Sanktionen gegen Usbekistan, und letztes Jahr versuchte die EU, ein Handelsabkommen mit Turkmenistan abzuschließen.

Human Rights Watch veröffentlichte heute auch eine Broschüre über Menschenrechtsverteidiger in Usbekistan, einem der repressivsten Länder in der gesamten Region Eurasien. Darin wird die mutige Arbeit der Aktivisten dargestellt, und es werden die verschiedenen Methoden der usbekischen Regierung beschrieben, sie zum Schweigen zu bringen und zu bestrafen (die Broschüre finden Sie unter: https://www.hrw.org/campaigns/uzbekistan/portraits_0407.pdf).
„Die Notlage der Menschenrechtsverteidiger in Usbekistan, besonders derer hinter Gittern, zeigt, warum die EU über Dialog und Ausbildungsmaßnahmen hinaus gehen muss”, so Cartner. „Die politischen Häftlinge zahlen den Preis für die schwache Menschenrechtspolitik der EU.“

Eine der inhaftierten Menschrechtsverteidiger, Umida Niazova, soll am 19. April in Taschkent vor Gericht stehen. In der politisch motivierten Anklageschrift werden ihr Schmuggel, die Verbreitung von aufrührerischem Material und illegaler Grenzübertritt vorgeworfen. Niazova ist außerdem als Übersetzerin in dem Büro von Human Rights Watch in Taschkent tätig.

Die Regierungen der zentralasiatischen Länder - Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan – sind für die Missachtung der Menschenrechte bekannt. In einigen Ländern, wie Usbekistan und Turkmenistan, hat sich die Situation seit dem Ende der Sowjetunion sogar noch verschlechtert. Turkmenistan gilt als eines der repressivsten Länder der Welt. Kasachstan wird immer noch von einem Spitzenpolitiker der ehemaligen Sowjetunion, Nursultan Nasarbajew, regiert und strebt nun den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) an, ohne eine einzige nationale Wahl gemäß der OSZE-Wahlstandards abgehalten zu haben. Die aktuelle Regierung Kirgisiens kam vor zwei Jahren an die Macht und versprach Reformen. Bis jetzt hatte der Menschenrechtsschutz in dem Land jedoch keine Priorität.

In Diskussionspapieren spricht sich die EU dafür aus, in Zentralasien „stabile, unabhängige und wohlhabende Länder zu etablieren, die sich zu demokratischen Werten bekennen“. Aber die geringe Bereitschaft der EU, Menschenrechtsfragen in diesen Dokumenten Priorität zu verleihen, steht im Gegensatz zu der klaren Position in den Politikfeldern Energie, Sicherheit und Handel.

„Die EU muss nicht Menschenrechte gegen Energieressourcen eintauschen”, so Cartner. „Vielmehr würde ein Bestehen auf Menschenrechtsstandards in Zentralasien auf lange Sicht gesehen die Stabilität verbessern.“

Das Hintergrundpapier von Human Rights Watch bestätigt, dass die Menschenrechte in den fünf Ländern Zentralasiens eine unterschiedliche Rolle spielen. Es empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen, die in einer EU-Strategie für jedes einzelne Land gefordert werden sollen. Auch werden Bewertungskriterien vorgeschlagen, um Fortschritte in Menschenrechtsfragen messbar zu machen. Im Fall Usbekistan fordert Human Rights Watch die EU auf, die usbekische Regierung dazu zu drängen, der Zivilgesellschaft mehr Entwicklungsmöglichkeiten zu verschaffen, indem verhaftete Menschenrechtsverteidiger freigelassen werden.

Nächsten Monat wird die EU entscheiden, ob sie die Sanktionen gegen Usbekistan ausweitet oder aufhebt. Sie wurden gegen die usbekische Regierung verhängt, als sie sich nicht dazu bereit erklärte, eine unabhängige internationale Untersuchung des Massakers von Andischan im Mai 2005 zu zulassen. Human Rights Watch forderte die EU mehrfach dazu auf, die Sanktionen nicht aufzuheben, solange die usbekische Regierung nicht alle Bewertungskriterien erfüllt, wie etwa die Unterdrückung der Zivilgesellschaft zu beenden.

Die heute von Human Rights Watch veröffentlichte Broschüre zeigt, dass sich der Druck auf die Zivilgesellschaft in Usbekistan in den letzten zwei Jahren eher verstärkt als verringert hat. Die Maßnahmen der usbekischen Regierung gegen Kritiker reichen von Einschüchterung, Bedrohung, Belästigung und körperlichen Angriffen bis hin zu Verhaftung und Folter. Zahlreiche Aktivisten der Zivilgesellschaft, einschließlich Menschenrechtsverteidigern, unabhängigen Journalisten und Mitgliedern der politischen Opposition, wurden von Unbekannten geschlagen, von örtlichen Behörden eingeschüchtert, von Banden überfallen und unter Hausarrest gestellt.

Allein im letzten Jahr sind mindestens zwölf Menschenrechtsverteidiger aus politischen Gründen zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Andere mussten erleben, wie ihre Angehörigen festgenommen wurden, anscheinend als Vergeltungsmaßnahme für ihre Menschenrechtsarbeit. Wieder andere mussten wegen Bedrohungen gegen die eigene Person oder gegen die Familie ihre Menschenrechtsarbeit beenden oder das Land verlassen. Dennoch gibt es in Usbekistan weiterhin viele Menschenrechtsverteidiger, die sich für die Menschenrechte einsetzen, um die Menschenrechtssituation in ihrem Land zu verbessern.

Gegenüber Turkmenistan, so Human Rights Watch, soll die EU Bewertungskriterien anwenden, die im Oktober 2006 vom Europäischen Parlament festgelegt wurden. Erst wenn diese erfüllt sind, soll ein vorläufiges Handelsabkommen mit diesem Land abgeschlossen werden. Die Kriterien beinhalten die Freilassung von politischen Gefangenen und die Zulassung unabhängiger Menschenrechtsbeobachter.

Gegenüber Kasachstan, so Human Rights Watch, soll die EU ihren Einfluss nutzen, damit das Land sich deutlich zu den OSZE-Standards bekennt, bevor es 2009 den Vorsitz in der OSZE übernehmen kann.

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