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(New York, 24. Juli 2008) – Unter dem Druck Chinas hat die nepalesische Regierung Hunderte Tibeter willkürlich festgenommen und ihr Recht eingeschränkt, gegen die Niederschlagung der Unruhen in Tibet vom März 2008 zu demonstrieren, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Human Rights Watch rief die nepalesische Regierung auf, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Tibeter zu respektieren, und forderte von China, jeglichen politischen Druck auf Nepal zu beenden

„Die nepalesische Regierung erhöht den Druck auf friedliche tibetische Demonstranten auf Geheiß aus Peking”, so Brad Adams, Direktor der Asien-Abteilung von Human Rights Watch. „Wie kann eine Regierung, die auf einer Welle öffentlicher Proteste an die Macht gelangt ist, es rechtfertigen, die friedlichen Demonstrationen der Tibeter niederzuschlagen?”

Der 60-seitige Bericht „Appeasing China: Restricting the Rights of Tibetans in Nepal” dokumentiert zahlreiche Menschenrechtsverletzungen der nepalesischen Behörden, insbesondere der Polizei, gegen Tibeter, die an gewaltlosen Protesten in Kathmandu teilnahmen. Der Bericht beschreibt unter anderem:

  • unnötigen und exzessiven Einsatz von Gewalt;
  • willkürliche Verhaftungen;
  • sexuelle Übergriffe gegen festgenommene Frauen;
  • willkürliche und präventive Haft;
  • Schläge während der Haft;
  • gesetzeswidrige Drohungen, Tibeter nach China abzuschieben;
  • Einschränkungen der Freizügigkeit im Kathmandu-Tal;
  • Schikanierung tibetischer und ausländischer Journalisten;
  • Bedrohung tibetischer, nepalesischer und ausländischer Menschenrechtler.

Bei den Recherchen für den Bericht beobachtete Human Rights Watch die Demonstrationen, Verhaftungen, Haftbedingungen und die Behandlung Verletzter in Krankenhäusern. Human Rights Watch besuchte regelmäßig von Tibetern bewohnte Stadtteile in Kathmandu, befragte mehr als 90 tibetische Demonstranten, gesellschaftliche und religiöse Führer, nepalesische Krankenhausangestellte und Polizisten sowie UN-Mitarbeiter in Nepal.

In Nepal, das an die tibetischen Teile Chinas grenzt, leben ca. 20.000 tibetische Exilanten, Flüchtlinge und Asylsuchende. Seit dem „Tag des Tibetischen Volksaufstandes“ am 10 März, dem Jahrestag der Rebellion von 1959 gegen die chinesische Herrschaft in Tibet, hat Nepal eine Reihe von Protesten erlebt. Nach dem gewaltsamen Vorgehen der chinesischen Regierung gegen Demonstrationen in Tibet und in angrenzenden chinesischen Provinzen nahmen die Proteste in Kathmandu deutlich zu.

Nepalesische Behörden haben zwischen dem 10. März und 18. Juli mindestens 8.350 Tibeter verhaftet (zahlreiche Personen wurden mehrfach inhaftiert). Obwohl die Anzahl der Demonstrationen seit Mai abgenommen hat, finden weiterhin regelmäßig Kundgebungen statt. Nur wenigen Verhafteten wurden die Gründe ihrer Festnahme dargelegt und praktisch alle wurden ohne Anklage wieder freigelassen.

Die nepalesische Polizei hat bei Verhaftungen unnötig und übermäßig Gewalt angewendet, zeitweise mit der offensichtlichen Absicht, Mengen friedlicher Demonstranten zu zerstreuen. Polizeibeamte schlugen Demonstranten mit Stöcken auf Kopf und Körper und traten und verprügelten sie. Einige Tibeterinnen wurden während ihrer Haft sexuell missbraucht. Besonders in der Polizeiwache in Boudha wurden Häftlinge brutal verprügelt. Viele Inhaftierte, einschließlich jener, die während ihrer Haft verletzt wurden, erhielten unzureichende oder gar keine medizinische Versorgung. Um Häftlinge von künftigen Protesten abzuschrecken, drohten Polizisten ihnen offenbar mit Gewaltanwendung, sexuellem Missbrauch und der Abschiebung nach China.

„Seit Jahrzehnten hat Kathmandu Exiltibetern einen Zufluchtsort geboten“, so Adams. „Wenn Nepal jetzt dem Druck aus China nachgibt, ist diese Rolle in Gefahr.“

Bei der Niederschlagung der tibetischen Proteste durch die nepalesische Regierung spielt China eine wichtige, mitunter undurchsichtige Rolle. Zheng Xianglin, der chinesische Botschafter, hat immer wieder nachdrücklich Einfluss auf die nepalesische Regierung auszuüben versucht. Er verlangte die Verhaftung von Demonstranten und drängte die Regierung zu entschlossenem Handeln. So erklärte Xianglin am 12. Mai: „Wir verlangen von der nepalesischen Führungsschicht, dass sie harte Strafen gegen Personen verhängt, die an anti-chinesischen Aktivitäten in Nepal teilnehmen.“

Die ungewöhnliche Häufigkeit, mit der nepalesische Amtsträger das Verbot „anti-chinesischer“ Aktivitäten wiederholen, lässt zunehmenden Druck aus Peking vermuten.

„China hat lange behauptet, die Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Länder sei das Fundament seiner Außenpolitik. Dennoch hat es die nepalesische Regierung direkt zur Niederschlagung der friedlichen Proteste aufgerufen“, so Adams. „Peking muss seine Versuche umgehend beenden, die Verfolgung von Tibetern nach Nepal zu exportieren. Die nepalesische Regierung muss diese Bestrebungen entschieden ablehnen.“

Beinahe alle tibetischen Demonstranten, die Human Rights Watch befragte, berichteten, die nepalesischen Behörden hätten ihnen mit der Abschiebung nach China gedroht. Diese Drohung wird offenbar mit der Absicht eingesetzt, unter den Tibetern ein Klima der Angst zu erzeugen und von weiteren Protesten abzuschrecken. Die verbreitete Anwendung solcher Drohungen lässt darauf schließen, dass es sich um eine bewusste Politik der Regierung handelt.

„Die nepalesische Regierung benutzt die Drohung, Flüchtlinge nach China abzuschieben, um friedliche Proteste zu unterdrücken“, erklärte Adams.

Human Rights Watch forderte die nepalesische Regierung auf, das fundamentale Recht der Tibeter auf friedliche Versammlung und Meinungsäußerung zu achten und willkürliche Verhaftungen, Schikanierung und Misshandlungen derer zu beenden, die diese Rechte wahrnehmen. Ferner rief Human Rights Watch auch die chinesische Regierung auf, keinen öffentlichen und indirekten Druck mehr auf die nepalesische Führung auszuüben.

Aussagen Tibetischer Demonstranten:

  • „Ich demonstrierte friedlich, als mich ein Polizist auf den Kopf schlug und ich zu Boden fiel. Dann schlugen mich drei Polizisten mit Stöcken auf Füße und Beine. Sie rannten davon und ein Passant half mir. Meine beiden Füße sind gebrochen. Der Arzt sagte mir, mein rechter Fuß könne nicht wiederhergestellt werden.“
    – eine 25-jährige Tibeterin in Kathmandu am 19. März 2008
  • „Wir demonstrieren, weil wir die Wahrheit über unser Land bekannt machen wollen und von der UN Gerechtigkeit fordern. Wir wollen anderen Ländern die tatsächliche Lage in Tibet zeigen. Das ist unser Ziel.“
    – Nonne aus Swyambu in Kathmandu am 29. März 2008
  • „Als die Polizei versuchte, meinen Freund mitzunehmen, hielt ich mich an ihm fest. Darauf versuchten die Polizisten, mich mit einem Stock zu schlagen. Ich versuchte, mich mit meinen Armen zu schützen, und jetzt ist mein Arm verletzt. Dann fiel ich zu Boden und die Beamten sc­hlugen mich während ich auf dem Boden lag. Ich habe einen großen Bluterguss am Rücken. Mein Freund half mir auf, denn ich konnte nicht alleine laufen, und dann steckten mich die Polizisten in einen Mannschaftswagen.“
    – ein 25-jähriger Demonstrant

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