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Ein Mädchen arbeitet in einer kleinen Diamantenmine in Sosso Nakombo in der Zentralafrikanischen Republik nahe der Grenze zu Kamerun, August 2015.  © Marcus Bleasdale für Human Rights Watch, 2015.

(London) – Schmuck- und Uhrenhersteller müssen mehr tun, um zu gewährleisten, dass es in ihren Lieferketten nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt, so Human Rights Watch in einem heute kurz vor dem Valentinstag veröffentlichten Bericht. 29 Zivilgesellschaftliche Gruppen und Gewerkschaften riefen die Schmuckindustrie gemeinsam dazu auf, ihr Beschaffungswesen zu verbessern.

Der 99-seitige Bericht „The Hidden Cost of Jewelry: Human Rights in Supply Chains and the Responsibility of Jewelry Companies“ untersucht die Gold- und Diamantenbeschaffung von 13 führenden Schmuck- und Uhrenherstellern, die gemeinsam einen Jahresumsatz von 30 Milliarden US$ generieren – etwa zehn Prozent der weltweiten Schmuckverkäufe.

Der Bericht geht auch auf die menschenrechtswidrigen Bedingungen ein, unter denen Edelminerale und -metalle zum Teil gefördert werden. Kinder werden verletzt oder sterben bei Schwerstarbeit in kleinen Gold- und Diamantenminen. Kommunen sind von Gesundheits- und Umweltproblemen betroffen, weil Minen Wasserläufe mit giftigen Chemikalien verseuchen. Und Zivilisten leiden massiv, wenn bewaffnete Gruppen sich am Abbau bereichern.

„Viele Schmuckhersteller können mehr tun, um zu prüfen, ob ihr Gold oder ihre Diamanten mit Kinderarbeit oder anderen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang stehen“, so Juliane Kippenberg, stellvertretende Leiterin der Abteilung Kinderrechte bei Human Rights Watch. „Wenn man zum diesjährigen Valentinstag ein Schmuckstück für seine Lieben kauft, sollte man den Juwelier danach fragen, was er über dessen Herkunft weiß.“

Human Rights Watch hat umfassende Untersuchungen in zahlreichen Ländern durchgeführt, in denen die Lieferketten von menschenrechtswidrigen Praktiken durchzogen sind, insbesondere von Kinderarbeit. In einem Bericht über die Situation auf den Philippinen aus dem Jahr 2015 schildert ein 16-jähriger Junge, wie er auf der Suche nach Gold nur mit einem Luftschlauch tauchen geht und jedes Mal riskiert, zu ertrinken.

Edelminerale und -steine werden in Dutzenden Ländern überall auf der Welt gefördert und dann in der Regel verkauft, exportiert und in anderen Ländern weiterverbreitet. Zwar sind die Lieferketten zum Teil lang und komplex, aber nichtsdestotrotz tragen Juweliere und Uhrmacher die Verantwortung dafür, zu gewährleisten, dass sie an keinem Punkt entlang dieser Ketten zu Menschenrechtsverletzungen beitragen.

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die meisten der 13 Schmuckhersteller internationale Standards für verantwortungsvolle Beschaffung nicht einhalten. Unter den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sind Unternehmen dazu verpflichtet, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die als „menschenrechtliche Sorgfaltspflicht“ bezeichnet werden. Diese beinhaltet, dass Unternehmen Auswirkungen ihrer Geschäftsaktivitäten auf die Menschenrechte in ihrer gesamten Lieferkette identifizieren, verhindern, angehen und über sie Rechenschaft ablegen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat mit den „OECD-Leitsätzen für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten“ die wichtigsten Standards für die Sorgfaltspflicht in der Mineralförderung entwickelt.

Die Praktiken der 13 untersuchten Schmuckhersteller unterscheiden sich deutlich voneinander. Während einige Unternehmen wichtige Maßnahmen ergriffen haben, um den menschenrechtliche Risiken in den Gold- und Diamanten-Lieferketten zu begegnen, verlassen sich andere blind auf die Versprechen ihrer Zulieferer. Die Mehrzahl der Hersteller können die Herkunft ihres Goldes und ihrer Diamanten nicht vollständig nachvollziehen und prüfen menschenrechtliche Risiken nicht ausreichend. Zudem veröffentlichen die meisten Unternehmen weder ausführlichere Berichte darüber, wie sie zur verantwortungsvollen Mineralförderung beitragen, noch die Namen ihrer Zulieferer.

Zehn der Hersteller antworteten auf Informationsanfragen: Boodles, Bulgari, Cartier, Chopard, Christ, Harry Winston, Pandora, Signet (das Elternunternehmen von Kay Jewelers, Zales, Ernest Jones und H. Samuel), Tanishq und Tiffany. Drei reagierten nicht: Kalyan, Rolex und TBZ. Auf Grundlage öffentlich zugänglicher und von den Unternehmen zur Verfügung gestellter Informationen bewertet der Bericht die Marken anhand von speziellen Kriterien für verantwortungsvolle Beschaffung, darunter Maßnahmen zur Einschätzung und zum Umgang mit menschenrechtlichen Risiken, transparente Lieferketten und öffentlich zugängliche Berichte über die Aktivitäten des Unternehmens.

Keiner der 13 Hersteller erhielt das Siegel „exzellent“. Tiffany and Co. wurde wegen bedeutender Schritte hin zu verantwortungsvoller Beschaffung als „überzeugend“ eingestuft und vier weitere Unternehmen, Bulgari, Cartier, Pandora und Signet als „angemessen“, da sie einige wichtige Schritte hin zu verantwortungsvoller Beschaffung unternommen haben.

Vier Hersteller – Boodles, Chopard, Christ und Harry Winston – erwiesen sich als „schlecht“, da sie nur wenig für verantwortungsvolle Beschaffung tun. Tanishq wurde als „sehr schlecht“ bewertet, weil nichts darauf hindeutet, dass das Unternehmen sich um verantwortungsvolle Beschaffung bemüht. Die drei Unternehmen, die nicht auf die Anfrage antworteten, wurden nicht gewertet, da sie keine Informationen über ihre Beschaffungsgrundsätze und -praktiken preisgaben.

Darüber hinaus stellt der Bericht fest, dass bestehende Initiativen für verantwortungsvolle Beschaffung wie der Kimberley-Prozess für Diamanten und eine Zertifizierung durch den Responsible Jewellery Council nicht ausreichen, um mit großer Sicherheit davon ausgehen zu können, dass Diamanten oder Gold nicht unter Verletzung von Menschenrechten gefördert wurden. Der Kimberley-Prozess konzentriert sich ausschließlich auf Diamanten, die mit Rebellengruppen in Verbindung stehen, bezieht sich nur auf Rohdiamanten und benennt die Verantwortung von Unternehmen nicht.

Der Responsible Jewellery Council, eine industrienahe Gruppe mit mehr als 1.000 Mitgliedern, hat problematische Standards, Steuerungs- und Zertifizierungssysteme. Der Council sollte seine Standards und Überprüfungspraktiken stärken, um die Messlatte für verantwortungsvolle Beschaffungspraktiken höher zu setzen.

„Zu viele Hersteller verweisen auf ihre Mitgliedschaft im Responsible Jewellery Council als alleinigen Beweis dafür, dass sie Minerale verantwortungsvoll fördern. Aber das reicht nicht, um saubere Lieferketten zu gewährleisten“, sagt Kippenberg.

Während die Praktiken vieler Schmuckhersteller internationalen Standards nicht genügen, gehen einige mit gutem Beispiel voran, dem andere folgen können. Aus den untersuchten Unternehmen sticht Tiffany and Co. heraus, weil es sein Gold bis zur Mine zurückverfolgen kann und die menschenrechtlichen Auswirkungen seiner Geschäftsaktivitäten umfassend prüft. Cartier kauft den gesamten Ertrag einer „Modell“-Goldmine in Honduras. Das Schweizer Schmuckunternehmen Chopard hat mit Kleinstminen-Kooperativen in Lateinamerika an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen gearbeitet und bezieht sein Rohmaterial von diesen. Pandora tut sich dadurch hervor, dass es die in seinen Prüfungen identifizierten Menschenrechtsrisiken offen legt.

Eine wachsende Zahl kleiner Schmuckhersteller bemüht sich darum, Gold aus kleinen Minen zu beziehen, in denen die Menschenrechte gewahrt werden, und arbeitet dabei oft mit Nichtregierungsorganisationen zusammen.

„Es macht Mut zu sehen, dass einige Schmuckhersteller, große wie kleine, Schritte in die richtige Richtung machen“, so Kippenberg. „Sie beweisen, dass Veränderung möglich ist.“

Zwei der untersuchten Unternehmen haben zwischenzeitlich zugesagt, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Praktiken zu verbessern. Der britische Hersteller Boodles hat begonnen, sich mit seinen Diamanten-Lieferanten über die Frage der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht auszutauschen und eine erste Überprüfung für verantwortungsvolle Beschaffung eingeleitet. Das Unternehmen sagte zu, einen umfassenden Verhaltenskodex für seine Gold- und Diamantenlieferanten zu entwickeln und zu veröffentlichen. Zudem will es ab dem Jahr 2019 Berichte über seine Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht veröffentlichen und genauere menschenrechtliche Risikoprüfungen durchführen. Der deutsche Schmuckhersteller Christ sagte zu, im Laufe des Jahres 2018 seinen Verhaltenskodex für Lieferanten und andere Informationen über die Umsetzung seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht zu veröffentlichen.

Human Rights Watch überprüfte 13 Unternehmen anhand von sieben Kriterien für verantwortungsvolle Beschaffung auf Grundlage öffentlich verfügbarer und auf Anfrage übermittelter Informationen.

Alle Schmuckhersteller müssen starke menschenrechtliche Sicherheitsvorkehrungen treffen und öffentlich über ihre Aktivitäten berichten – das fordern zivilgesellschaftliche Gruppen und Gewerkschaften in einem gemeinsamen Aufruf. Auch Human Rights Watch initiierte eine Kampagne, #BehindTheBling, um Druck auf Schmuckhersteller aufzubauen.

Wenn sie Schmuck kaufen, sollten Kunden nachfragen, woher dieser kommen und wie die Weiterverkäufer prüfen, ob in den Herkunftsminen die Menschenrechte eingehalten werden. Kleine Minen haben besonders großes Potential, sich positiv auf ihre Nachbarkommunen auszuwirken.

„Immer mehr Kunden wollen sicher gehen, dass der Schmuck, den sie kaufen, nicht zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen hat“, so Kippenberg. „Schmuckhersteller sind es ihren Kunden und den von ihren Aktivitäten betroffenen Kommunen schuldig, ihre Rohmaterialien wirklich verantwortungsvoll zu fördern und eine öffentliche Prüfung ihrer Aktivitäten zuzulassen.“

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