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Uzbekistan President Shavkat Mirziyoyev addresses the 72nd United Nations General Assembly at U.N. Headquarters in New York, U.S., September 19, 2017.  © 2017 Reuters
(Berlin) — Aus Usbekistan erwartet man nicht unbedingt gute Nachrichten. Das zentralasiatische Land ist berühmt für seine sagenumwobenen Städte an der Seidenstraße wie Samarkand und Bukhara. Doch über Jahrzehnte gehörte die Menschenrechtslage dort zu den schlechtesten der Welt. Folter und politische Haft waren allgegenwärtig.

Während viele Staaten auf dem Gebiet der Menschenrechte in die falsche Richtung steuern, sind es mitunter Länder wie Usbekistan, die unerwartet Anlass zu Hoffnung geben. Der seit 2016 amtierende Präsident Schawkat Mirzijojew, der vom 20. bis 22. Januar zum ersten Mal nach Berlin reist, hat einige bedeutende Fortschritte bei den Menschenrechten angestoßen. Zwar kommt es noch immer zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Doch die Freilassung Dutzender politischer Häftlinge und die Reduzierung der Zwangsarbeit in der jährlichen Baumwollernte sind, neben anderen Maßnahmen, wichtige Schritte nach vorn. Dazu beigetragen haben auch mutige Graswurzel-Proteste und Social Media-Kampagnen.

Was in Usbekistan, dem größten Staat Zentralasiens mit 32 Millionen Einwohnern, geschieht, ist für Deutschland aus Gründen relevant, die über diese Veränderungen hinausgehen. Dies unterstreichen die Fortschritte, die Usbekistan in nur zwei Jahren gemacht hat, seine strategische Lage zwischen Russland, China und Europa sowie die zeitweise umstrittenen Beziehungen der Bundesregierung zu Taschkent.

Vorsicht ist geboten, da Miziyoyevs Reformprozess praktisch vollständig von oben verordnet wurde und somit leicht gestoppt oder umgekehrt werden kann. Dennoch können Politiker, Unternehmer und andere in Deutschland Lehren aus den Umwälzungen in Usbekistan ziehen.

Unrechtsregime können sich ändern

Islam Karimow, der Usbekistan nach seiner Unabhängigkeit fast 27 Jahre lang mit harter Hand regierte, beseitigte so gut wie jede Opposition und führte sein Land politisch und wirtschaftlich in die Isolation. Sein Tod im September 2016 brachte unerwartete Veränderungen. Mirzijojews Regierung erkannte, dass wirtschaftliche Erholung und ausländische Investitionen dringend notwendig waren. Der erste wichtige Schritt war es, die Abschottung des Landes zu beenden. Solche Impulse für einen Wandel kann es auch andernorts geben.

Fortschritte bei den Menschenrechten halfen, das Land zu öffnen

Vor Karimows Tod hatte Usbekistan im Hinblick auf die Menschenrechte einen miserablen Ruf in der Welt. Doch seit 2016 haben viele usbekische Funktionäre erkannt, dass die Verbesserung der Menschenrechtslage eine Schlüsselbedingung für den Neustart der internationalen Beziehungen ist, insbesondere zu Europa und den USA. Folglich lohnt es sich, selbst in Ländern, in denen Veränderungen unwahrscheinlich erscheinen, den diplomatischen Fokus nachhaltig auf Menschenrechtsthemen zu richten.

Die Bundesregierung sollte ihr Engagement auf den Prüfstand stellen

Was die Thematisierung von Menschenrechtsfragen gegenüber Usbekistan anbelangt, ist ihre Bilanz durchwachsen. So stand Deutschland bedauerlicherweise an der Spitze der Bemühungen, die politischen Sanktionen der EU gegen Taschkent, die wegen eines Massakers im Jahr 2005 verhängt worden waren, zu lockern. Deutschland nutzte zudem 13 Jahre lang den Luftwaffenstützpunkt Termez zur Versorgung seiner Truppen im benachbarten Afghanistan. In bilateralen Gesprächen spielte die Bundesregierung oft heikle Themen wie die Menschenrechte herunter, um dieses militärische Arrangement zu schützen. Andererseits lehnte Bundeskanzlerin Angela Merkel es wegen der Menschenrechtslage in dem Land ab, Karimow in Berlin zu empfangen. Erst vor kurzem versuchte Berlin, Menschenrechtsaktivisten in Usbekistan zu unterstützen. Die Fortschritte in Usbekistan bieten der Bundesregierung nun die Chance, ihren Kurs aus der Karimow-Ära zu überdenken und Lehren für die Zukunft zu ziehen.

Russland und China haben nicht alleine das Sagen

Menschenrechtler müssen sich oft das Argument anhören, es nütze wenig, wenn Deutschland Unrechtsregime kritisiere, weil diese ohnehin eher an guten Beziehungen zu Russland und China interessiert seien. Usbekistan könnte ein solches Land sein, ist es aber nicht. Russland und China sind zwar wichtig, doch Usbekistan betrachtet Deutschland als entscheidenden wirtschaftlichen Partner und hat großes Interesse an deutschem Knowhow. Auch zur EU strebt Taschkent engere Beziehungen an. Deutschland und die EU verfügen über vieles, was für Staaten wie Usbekistan attraktiv ist. Dies bedeutet mehr Einfluss auch in sensiblen Fragen. Diesen Einfluss sollten sie nutzen.

Der Wirtschaft kommt eine Schlüsselrolle zu

Usbekistan versucht, Investoren und Touristen anzulocken. Die Visafreiheit für Deutsche begann diesen Monat und Mirzijojew wird auch um deutsche Unternehmen werben. In der Vergangenheit wurden ausländische Investoren oft von Korruption und mangelhaften rechtlichen Rahmenbedingungen in Usbekistan abgeschreckt. Unternehmen, die nun eine Chance wittern, sollten auf universell gültige Standards bestehen, welche die Menschenrechte schützen und für ein langfristiges Wirtschaften sinnvoll sind. Dazu gehören etwa ein Verbot von Zwangsarbeit, keine Zusammenarbeit mit Behörden, die für Missbrauch verantwortlich sind, und die Einhaltung von Arbeitsrechtsnormen.

Es gilt, wachsam zu bleiben. Die Fortschritte in Usbekistan gehen von einem sehr niedrigen Niveau aus. Freie Wahlen und Demokratie stehen noch nicht einmal zur Debatte. Karimows autoritärer Machtapparat ist noch immer größtenteils intakt. Trotz positiver Entwicklungen ist Zwangsarbeit weiter verbreitet und es gibt kein unabhängiges Justizwesen. Angesichts dessen sollten Deutschland und andere Staaten ihre Unterstützung daran anpassen, inwieweit sich die Menschenrechtslage für gewöhnliche Bürger tatsächlich verbessert.

Mirzijojews Besuch bietet Merkel und Steinmeier die Gelegenheit, Fortschritte willkommen zu heißen, aber gleichzeitig auch deutlich zu machen, unter welchen Bedingungen Berlin weiter mit Taschkent kooperieren wird. Sie sollten die Freilassung der Tausenden politisch Inhaftierten, die Abschaffung der Internetzensur und ein Ende der Unterdrückung der Zivilgesellschaft fordern.

Dies würde Usbekistan voranbringen. Zugleich könnte Deutschland zeigen, was in den Beziehungen zu problematischen Regierungen möglich ist, auch abseits der Seidenstraße.

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