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Olympische Spiele: IOC kommt Forderungen nach Verankerung von Rechten nach

Jetzt Einbindung von Interessenvertreter*innen und Aufnahme von Menschenrechten in die Olympische Charta erforderlich

Die olympische Flagge vor dem IOC-Sitz im schweizerischen Lausanne am 23. März 2020. © 2020 Jean-Christophe Bott/Keystone via AP

(Nyon) – Der am 20. Mai 2022 veröffentlichte Fortschrittsbericht des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Verabschiedung eines dringend erforderlichen strategischen Rahmens für Menschenrechte, erklärte die Sport & Rights Alliance. Der Schritt erfolgt nach jahrzehntelangen Forderungen der Zivilgesellschaft und greift mehrere langjährige Forderungen von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften auf.

„Das Internationale Olympische Komitee sollte die Menschenrechte unverzüglich in all seinen Tätigkeiten achten und verankern und den Schutz und die Achtung der Menschenrechte als grundlegendes Prinzip in die Olympische Charta aufnehmen“, erklärte Minky Worden, Direktorin für globale Initiativen bei Human Rights Watch. „Dies ist ein äußerst wichtiger Schritt, auch wenn er lange überfällig ist. Er ist ein Beweis dafür, was passiert, wenn sich Athleten, Aktivisten, Fans, Journalisten, Arbeiter und Gemeinschaften zusammen dafür einsetzen, dass sich etwas verändert.“

In seinem Fortschrittsbericht erkennt das IOC seine Verantwortung an, „die Menschenrechte in Übereinstimmung mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (die UN-Leitprinzipien) zu achten“, und verpflichtet sich, „die Olympische Charta dahingehend zu ändern, dass die Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte klarer zur Geltung kommt.“ In dem Bericht konzentriert sich das IOC außerdem auf wichtige Menschenrechtsfragen wie Gleichstellung und Nichtdiskriminierung, Sicherheit und Wohlergehen, Existenzgrundlagen und menschenwürdige Arbeit, Mitspracherecht, einschließlich der Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie einer sinnvollen Vertretung, und den Schutz der Privatsphäre.

„Der Bericht des IOC stellt zu Recht fest, dass die Athleten im Mittelpunkt des Sports stehen. Also muss ihnen auch in der Menschenrechtsstrategie des IOC Aufmerksamkeit geschenkt werden“, sagte Brendan Schwab, Direktor der Spielergewerkschaft World Players Association. „Deswegen sind die Rechte der Athleten im Einklang mit dem Völkerrecht zu definieren. Weiterhin ist es wichtig, das Recht der Athleten, sich zu organisieren, anzuerkennen und sicherzustellen, dass Institutionen wie der internationale Sportsschiedsgerichtshof den Athleten Gerechtigkeit verschaffen, wenn ihre Menschenrechte verletzt wurden. Das IOC hat lange behauptet, die Rechte von Sportlern zu fördern, ohne die internationalen Menschenrechtsstandards zu achten.“

Die Sport & Rights Alliance hat wichtige Lücken in dem Dokument entdeckt, die im finalen Strategischen Rahmen für Menschenrechte des IOC, der im September 2022 veröffentlicht werden soll, noch geschlossen werden müssen. Vor allem hat das IOC versäumt, Journalist*innen, Menschen mit Behinderungen, Zuschauer*innen und Fans sowie ethnische Minderheiten als „besonders gefährdete Personengruppen“ anzuerkennen.

„Das Chaos rund um das UEFA-Champions-League-Finale in Paris zeigt deutlich, dass das IOC auch den Umgang mit den Fans genauer unter die Lupe nehmen muss, insbesondere für die nächsten Spiele in Paris 2024“, sagte Ronan Evain, Geschäftsführer des Fan-Bündnisses Football Supporters Europe. „Die olympische Bewegung hat ohne ihre Zuschauer kein Publikum. In seiner Rolle als maßgeblicher Vorreiter der olympischen Bewegung und der globalen Sportpolitik bestimmt das IOC mit seinen Entscheidungen, ob und wie Fans an Veranstaltungen teilnehmen, wohin wir reisen und wie wir behandelt werden. Aber das IOC hat wieder einmal vergessen, dass auch Fans Menschenrechte haben.“

Eli Wolff, Direktor des Power of Sport Lab und Mitbegründer von Disability in Sport International, sagte: „Menschen mit Behinderungen sind sowohl im Sport als auch gesellschaftlich stark betroffen, genießen aber gleichzeitig den Schutz und die Anerkennung der Vereinten Nationen und insbesondere der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Menschen mit Behinderungen machen mehr als 15 Prozent der Weltbevölkerung aus und müssen in den Menschenrechtsstrategien und allen Gleichstellungs- und Nichtdiskriminierungsmaßnahmen des Internationalen Olympischen Komitees anerkannt werden.“

Der Sport & Rights Alliance zufolge seien die im Fortschrittsbericht festgestellten Lücken nicht völlig überraschend, da er ohne Beteiligung der Vertreter*innen betroffener Menschen und Gemeinschaften erstellt worden sei. Die kontinuierliche Einbindung von Interessenvertreter*innen ist jedoch eine wesentliche Anforderung der UN-Leitprinzipien und ist erforderlich, um Menschenrechtsrisiken zu identifizieren und zu priorisieren, wirksame Abhilfestrategien zu entwickeln, ihre Wirksamkeit zu verfolgen und gegen Verstöße vorzugehen.

Die Sport & Rights Alliance bekräftigt die Verpflichtung des IOC zur „sinnvollen Einbindung betroffener Stakeholder“ in seine laufenden Due-Diligence-Prozesse und erklärt, dass dies dringend so schnell wie möglich passieren muss. Als führende Organisation im globalen Sportgefüge sollte das IOC zusätzlich auch Interessenvertreter*innen in seine Führungsstrukturen integrieren, so dass die Stimme und Lebenserfahrung der betroffenen Menschen in allen Entscheidungsprozessen Gehör finden.

„Angesichts des angekündigten Starttermins im September 2022 sollte das IOC unverzüglich Vertreter aller betroffenen Gruppen, wie zum Beispiel Zuschauer, Journalisten, Kinder, Betroffene von Menschenrechtsverletzungen, Athleten, LGBTQI+-Personen und Menschen mit Behinderungen, in zielorientierte und laufende Konsultationen für die nächsten Schritte einbeziehen“, sagte Andrea Florence, stellvertretende Direktorin der Sport & Rights Alliance. Nur durch eine transparente Beteiligung direkt betroffener Menschen und Gemeinschaften an den Entscheidungsprozessen wird das IOC tatsächlich verstehen, wie es Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit verhindern und angehen kann.“

Seit der einstimmigen Verabschiedung der UN-Leitprinzipien durch die UN-Mitgliedsstaaten im Jahr 2011 hat sich das IOC gegen den Druck der Zivilgesellschaft gesträubt, Menschenrechte bei seinen Aktivitäten zu berücksichtigen und effektiv mit Vertreter*innen betroffener Menschen und Gemeinschaften zusammenzuarbeiten – selbst in Fällen, in denen es die Olympischen Spiele an Länder mit einer schlechten oder sich verschlechternden Menschenrechtsbilanz vergab.

Mitglieder der Sport & Rights Alliance und führende Vertreter*innen der olympischen Bewegung fordern das IOC seit langem auf, einen Menschenrechtsrahmen zu verabschieden, Verantwortung dafür zu übernehmen, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der olympischen Bewegung zu vermeiden und in entsprechenden Fällen Abhilfe zu leisten, sowie Schäden, die es selbst verursacht oder zu denen es direkt beiträgt, zu minimieren und zu beheben. Das IOC sollte außerdem seine enorme Macht nutzen, um die oft miserablen Menschenrechtslagen in Gastgeberländern wie ChinaBrasilienRussland, Belarus und Japan zu verbessern.

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