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Wie sollen Obdachlose zu Hause bleiben?

COVID-19 doppelte Herausforderung für Menschen, die auf der Straβe leben

Heiße Getränke für Obdachlose: Eine Mitarbeiterin der Bahnhofsmission gibt warme Getränke aus, Berlin, Deutschland © 2020 Berliner Stadtmission/Breuer

Die Schlangen werden immer länger. Vor der Suppenküche am Bahnhof Zoo in Berlin warten viele Obdachlose, um eine Mahlzeit zu erhalten. Seit das Coronavirus Deutschland fest im Griff hat, hält die Berliner Stadtmission ihre Türen verschlossen. Die Mitarbeiter und Freiwilligen geben das Essen jetzt an einem Fenster neben dem Haupteingang aus. Doch immer mehr Obdachlose kommen täglich, um sich Brote und warme Getränke zu holen.

“Mehr Menschen kommen, sie sind in einem schlechteren Zustand und brauchen mehr Hilfe”, sagt Willi Nadolny, der Leiter der Bahnhofsmission Zoo.

Obdachlose Menschen, wo auch immer sie sich aufhalten, gehören zu der Personengruppe, die wegen der Coronakrise besonders gefährdet sind. Viele leiden unter Vorerkrankungen oder benötigen psychologische Beratung. Doch sie haben jetzt keinen Ort, an den sie sich zurückziehen oder an dem sie sich auch nur ihre Hände waschen können.

“Wie soll man denn zu Hause bleiben, wenn man obdachlos ist?” fragt Nadolny.

Leben auf der Straße: Vor der Bahnhofsmission Zoo, Berlin, Deutschland © 2020 Berliner Stadtmission/Breuer

Da ich ehrenamtlich in der Bahnhofsmission Zoo aushelfe, weiβ ich nur zu gut, dass dort viele Menschen zu Mittag essen, Kleiderspenden abholen oder mit Sozialarbeitern sprechen. Doch jetzt ist all dies entweder gar nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt möglich. Denn sowohl die Gäste als auch die Freiwilligen müssen vor dem Virus geschützt werden. Viele Ehrenamtliche sind ältere Menschen, die selbst besonders gefährdet sind.

In Berlin leben etwa 6.000 Obdachlose und das Coronavirus ist ein doppelter Schlag für sie. Die leeren Straβen führen dazu, dass es kaum noch Möglichkeiten gibt, etwas Geld durch den Verkauf von Zeitungen oder durch Straβenmusik zu verdienen. Und Initiativen wie die Bahnhofsmission Zoo schränken ihr Angebot immer stärker ein oder schlieβen ganz.

Der Berliner Senat hat einen Notfallplan bekanntgegeben, durch den 350 obdachlose Menschen in einer früheren Jugendherberge und anderswo untergebracht werden können. Dort sollen sie auch die Möglichkeit erhalten, sich zu waschen, psychologische Beratung zu erhalten und von einem Arzt behandelt zu werden. Doch dies wird nicht reichen, um alle Obdachlosen zu unterstützen.

In anderen europäischen Ländern haben Ausgangssperren die Frage aufgeworfen, wie die Polizei mit Obdachlosen umgeht. Wenn die Menschen kaum mehr auf die Straβe gehen sollen, wie seit dieser Woche auch in Deutschland, müssen die Auswirkungen auf besonders gefährdete Personengruppen im Auge behalten werden.
Doch es gibt auch Zeichen der Solidarität. In der Nähe meiner Wohnung wurden diese Woche zwei Gabenzäune eröffnet: Anwohner befestigen dort Tüten mit Lebensmitteln und Kleidung, die von Obdachlosen abgeholt werden können. Nadolny ist darüber sehr froh: “Trotz aller Probleme gibt es eine neue Form der Solidarität, die wirklich beeindruckend ist.”

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